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Chinesische Kalligraphie, Portraitmalerei und sich drehende Litfaßsäulen: Viel zu entdecken auf der Langen Nacht der Bilder

Ein Artikel von Sarah-Charline Meiners

.Hier leuchtet etwas. Hier dreht sich etwas. Hier klingt etwas. Hier gibt es ordentlich was zu sehen. Das Studio Bildende Kunst in Lichtenberg lud am 2. September 2022 – wie viele weitere Galerien im Bezirk auch – zur diesjährigen Langen Nacht der Bilder ein. Zum 15. Mal öffneten Galerien, Ateliers und Museen bis Mitternacht ihre Türen. Mit dabei war auch das Studio Bildende Kunst vom Kulturring in Berlin e.V. im Lichtenberger Kiez Frankfurter Allee Süd. Neben der aktuellen Ausstellung bereitete das Studio ein unterhaltsames Programm in der Villa Skupin und im Garten vor – und ich war mittendrin

Leuchtende Kunst und drehende Kunst in der alten Villa

Das Studio Bildende Kunst zeigt im Erdgeschoss die Ausstellung „Leuchtende Welten“ der chinesischen Künstlerin Wang Lan, die in Berlin lebt. Ihre großformatigen Bilder haben schon fast etwas von Plastiken. Die Künstlerin hat Figuren und Formen aus Styroporplatten herausgeschnitzt und Lichterketten in die Hohlräume eingesetzt. Die Flächen hat sie mit Fäden, Perlen, Farben und Kunstblumen verziert. Licht aus, Lichterketten an: Je später der Abend wird, umso schöner leuchten ihre Kunstwerke. Einen Raum weiter zeigt Wang Lan ihre chinesischen Tuschemalereien. Auf durchscheinenden Stoffbahnen sind Bilder von Figuren und Tieren angeheftet; aus einigen dieser Zeichnungen hat die Künstlerin einen kleinen Film erstellt.

Über die knarrende Treppe der fast 100-jährigen Kunstvilla geht es in den ersten Stock. Hier drehen sich kleine Litfaßsäulen. Teilnehmende des Projekts „LitfaßLaunen – Wort & Bild“ des Graphik-Collegiums Berlin e.V. zeigen ihre Ideen von Litfaßsäulen & Grafiken und laden zu Gesprächen ein. Manche Säulen sind klein und bunt, andere muten futuristisch an, eine Litfaßsäule dreht sich sogar. Ein LED Teller für zu Hause wurde umfunktioniert und sorgt jetzt dafür, dass die Besucher:innen die Litfaßsäule von allen Seiten betrachten können, erklärt mir Jacqueline Balzer, Leiterin des Studio Bildende Kunst.

Künstlerinnen erklären: Portraitmalerei und Kalligraphie im Garten

Unter einem Pavillon im Garten sitzt Tatjana Kan an einem kleinen Tisch und rückt eine Stehlampe zurecht. Sie fertigt auf Wunsch Portrait-Zeichnungen der Besucher:innen der Langen Nacht der Bilder an. „Schnelle Skizze“ heißt es – und ich nehme vor Frau Kan Platz. Nachdem ich gut ausgeleuchtet bin und Frau Kan mein Gesicht ausführlich gemustert hat, beginnt die Künstlerin mit ihrem Graphitstift zu zeichnen. „Die Augen sind das wichtigste“, erklärt Tatjana Kan. „Weil die Menschen durch das lange Sitzen schnell müde werden, beginne ich immer mit den Augen.“ Tatsächlich muss ich lange sitzen: „Schnelle Skizze“ bedeutet dann doch rund 40 Minuten ausharren und möglichst wenig bewegen. Für das Ergebnis haben sich die leicht verspannten Schultern aber gelohnt. Ich blicke in mein eigenes Gesicht auf Papier – mit wachen, detaillierten Augen.

Während mich Tatjana Kan zeichnet, spielt Edgar Jaschob auf seiner Geige. Innig und konzentriert spielt er klassische Stücke und zeitgenössische Schlager. Tatjana Kan summt bei Tschaikowski mit und wiegt den Kopf. Ein paar Tische weiter führt Wang Lan einige Gäste in die chinesische Kalligraphie ein. Wer möchte kann seinen Namen in chinesischen Zeichen auf ein dünnes Blatt Papier zeichnen. „Dazu benutzt man keine Tinte, wie es viele Leute nennen, sondern Tusche. Sie besteht aus Kohle und einem Verbindungsstoff“, erklärt Wang Lan. Im Umgang mit Pinsel und Farbe bin ich eher talentfrei. Daher malt mir Wang Lan meinen Namen in chinesischen Zeichen auf und signiert mir das Papier. Jetzt hängen eine echte Tatjana Kan und eine echte Wang Lan in meiner Wohnung – und werden mich ab sofort immer an die schöne Lange Nacht der Bilder 2022 im Studio Bildende Kunst erinnern.